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Den Proteinen auf der Spur
Die IMC Fachhochschule Krems hat durch die Schaffung des Forschungsinstituts Krems Bioanalytik (IKB) in den letzten Jahren eine Kernkompetenz in der Analyse gewollter und ungewollter Immunreaktionen gegen biologische Therapeutika entwickelt. Mit der Anschaffung des hochauflösenden Massenspektrometers ist es das Ziel, eine Analyseplattform für die qualitative und quantitative Charakterisierung von Immunreaktionen gegen Biotherapeutika und Impfstoffe inklusive Gentherapien zu entwickeln. Dadurch können die Wirksamkeit der Therapeutika nachgewiesen und potenzielle Nebenwirkungen identifiziert werden. Im Interview erklärt Benjamin Neuditschko, woran er konkret forscht und welche Potenziale darin stecken.
Wie und woran wird im Forschungslabor „Clinical Proteomics Krems“ geforscht?
Das Hauptaugenmerk unserer Arbeitsgruppe liegt auf der Proteinanalytik, also der Erforschung von Eiweißen, in Fachkreisen auch Proteomik genannt. Hierbei handelt es sich wörtlich um die Analyse der Gesamtheit aller Proteine in einer Probe. Praktisch verbergen sich dahinter aber viele verschiedene Methoden, die unterschiedliche Aspekte von Proteinen untersuchen. Unser Fokus liegt aktuell auf der genauen Bestimmung von Proteinkonzentrationen in biologischen Systemen wie Blut oder Gewebe und der Erforschung der Interaktionen von Proteinen untereinander.
Mit welchem Forschungsschwerpunkt beschäftigst du dich und was fasziniert dich daran besonders?
Der Schwerpunkt der Forschung liegt auf der Proteinanalytik mittels Massenspektrometrie. Wir benutzen diese Analysemethode, um Proteine in einer komplexen Probe sehr genau nachzuweisen. Die Faszination dieses Forschungsbereichs liegt für mich ganz eindeutig auf der Komplexität der einzelnen Analysen. Die Massenspektrometrie bestimmt nicht Proteine an sich, sondern misst die genaue Masse des Moleküls, das man injiziert. So können mit demselben Gerät zum Beispiel kleine biologische Moleküle – sogenannte Metabolite –, Bleiverschmutzungen im Wasser, Produkte von chemischen Reaktionen aus dem Labor oder eben Proteine identifiziert werden. Die Messungen und das Prinzip sind dabei grundsätzlich immer die gleichen, die Vorbereitungen und Auswertungen machen den Unterschied aus.
Welches Projekt steht auf deinem aktuellen Forschungsplan?
Aktuell liegt mein Schwerpunkt in der Erforschung von Interaktionen von Proteinen. Dabei steht vor allem die Bindung von Antikörpern und Antigenen im Fokus. Die Verwendung von Antikörpern in der Therapie von Krankheiten gewinnt immer mehr an Bedeutung. Sie ermöglichen es, sehr spezifische Ziele im Körper zu beeinflussen und somit Krankheiten mit möglichst wenigen Nebenwirkungen zu bekämpfen. Die Untersuchung von Antikörper-Antigen-Wechselwirkungen kann hier eingesetzt werden, um potenzielle neue Medikamente zu untersuchen und deren Bindungen zu charakterisieren.
Warum hast du dich für das Studium der Chemie entschieden?
Meine Begeisterung für Naturwissenschaften hat sich in der Schule entwickelt. Vor allem die letzten beiden Jahre schafften genügend Raum für eine Vertiefung in den Fächern Physik, Chemie und Biologie. Dabei empfand ich die Chemie immer als die ansprechendste Wissenschaft. Chemische Reaktionen finden sich in täglichen Situationen, die wir jedoch als solche nie einordnen würden. Andererseits hatte ich in der Schule auch einen jungen motivierten Lehrer, der mich zusätzlich animierte, Chemie zu studieren. Im Master-Studium Biologische Chemie konnte ich mein Wissen um die Biologie erweitern und die chemischen Reaktionen des Lebens studieren.
Warum bist du in die Wissenschaft gegangen und wie hat sich deine Karriere entwickelt?
Während meines Bachelor-Studiums Chemie habe ich die Biochemie-Vorlesung besucht. Darin wurde der biochemische Weg genau beschrieben, wie aus Nahrungsmitteln, zum Beispiel Zucker, Energie wird, die der Körper verwenden kann. Das Thema wurde einige Einheiten lang behandelt und endete damit, dass sich der pH-Wert in einem speziellen Teil der Zelle minimal ändert und somit einen molekularen Motor antreibt. Die Tatsache, dass ein extrem komplexer, kontrollierter Prozess dazu führt, dass ein Teil der Zelle ‚etwas saurer‘ ist als ein anderer Teil und somit das Leben, wie wir es heute kennen, auf einem so simplen chemischen Prozess wie dem pH-Wert beruht, hat meine Begeisterung für die Biochemie entfacht. Später bin ich durch mein Studium auf die Massenspektrometrie gestoßen. Damit bekam ich die Möglichkeit, biologische Systeme zu studieren. Daraufhin habe ich mich am Institut für Analytische Chemie der Universität Wien für eine Master-Arbeit beworben, wurde angenommen und konnte diese Arbeiten in meiner Dissertation weiterführen.
Welchen Berufswunsch hattest du als Kind? Und bist du heute froh, dass dein Karriereweg so verlaufen ist?
Als Kind wollte ich Pfarrer werden. Dass meine Karriere so verläuft und ich heute promovierter Chemiker bin, ist im Nachhinein betrachtet wohl etwas unerwartet. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, war der Weg zum Studieren nach Wien nicht unbedingt der wahrscheinlichste – vor allem, da ich nie ein ‚Einser-Schüler‘ war. Aber mein Interesse an der Wissenschaft und die Freude am Entdecken, die ich seit meiner Kindheit behalten habe, ließen mich damals den Weg auf die Uni finden. Auch wenn ich nicht wusste, was mich erwartet und es nicht immer einfach war, wollte ich nie aufhören. So endete ich unweigerlich bei meiner Promotion und freue mich, noch lange meine Forschung vorantreiben zu dürfen.
Was findest du spannend an der Forschungsarbeit?
Die Arbeit an der IMC FH Krems verbindet für mich zwei spannende Aspekte der Forschung. Einerseits sind wir angehalten, Grundlagenforschung zu betreiben, um neue Analysen zu entwickeln und biologische Systeme besser verstehen zu können. Andererseits ist die Nähe des IKB zu verschiedenen Industriepartnern eine optimale Möglichkeit, massenspektrometrische Analyse für die Industrie anbieten zu können und gemeinsam neue Methoden zu entwickeln, um damit Entwicklung und Erforschung neuer Therapieansätze zu ermöglichen.
Über Benjamin Neuditschko
Dr. Benjamin Neuditschko (31) hat das Bachelor-Studium Chemie und Master-Studium Biologische Chemie an der Universität Wien absolviert. Während seiner Master-Arbeit am Institut für Analytische Chemie lernte er die Massenspektrometrie kennen. In seiner Dissertation in der Arbeitsgruppe für Bioanalytik untersuchte er die molekulare Wirkung von metallbasierten Krebstherapeutika in Zellkultursystemen. Nach seiner Promotion begann er an der IMC Fachhochschule Krems am Institut Krems Bioanalytics als Postdoc. Der gebürtige Waldviertler lebt mit seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn in Krems.