Presse

Die Entlassung in die Obdachlosigkeit

Eine neue Publikation liefert erstmals tiefere Einblicke in Versorgungsstrukturen und Handlungsempfehlungen für obdachlose Patientinnen und Patienten.

Gerade in der kalten Jahreszeit zeigt sich das Thema Obdachlosigkeit von seiner bedrohlichsten Seite. Eine neue Publikation des IMC Krems untersucht, wie Herausforderungen in der Versorgung obdachloser Patientinnen und Patienten deren gesundheitliche und soziale Stabilität beeinflussen können.

Eine neue Publikation des IMC Krems untersucht die wachsende Herausforderung der Obdachlosigkeit in Europa, beleuchtet die Auswirkungen unzureichender Versorgungs- und Entlassungsstrukturen auf die Gesundheit und Stabilität obdachloser Menschen und gibt Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation.

In Österreich und der gesamten Europäischen Union steigt die Zahl obdachloser Menschen seit Jahren. Besonders im Winter ist das Thema akut, da Obdachlose nicht nur mit rauen Witterungsbedingungen, sondern auch mit unzureichenden Versorgungsstrukturen konfrontiert sind. Eine neue Studie von Konrad Zenczak, Absolvent des Master-Studiengangs „Management von Gesundheitsunternehmen“ des IMC Krems, zeigt gemeinsam mit Manfred Pferzinger und Christine Bachner erstmals, wie prekäre Entlassungsbedingungen zu wiederholten Krankenhauseinweisungen und einer fortwährenden Verfestigung der Obdachlosigkeit führen können. Die Publikation „Die Entlassung in die Obdachlosigkeit“ untersucht, unter welchen Bedingungen obdachlose Patientinnen und Patienten aufgenommen, behandelt und wieder entlassen werden und welche Faktoren die Wiederaufnahmerate reduzieren können.

Ein ungelöstes Problem im Gesundheitssystem

Die Studie offenbart gravierende Mängel in der Nachsorge und Entlassungsplanung obdachloser Patientinnen und Patienten. In Österreich gibt es bislang kaum Forschungsdaten zur Versorgung dieser Personengruppe, obwohl obdachlose Menschen besonders häufig mit komplexen Diagnosen und einer Vielzahl an Erkrankungen in Krankenhäuser eingewiesen werden. Zenczaks Untersuchung füllt eine wichtige Lücke, indem sie die Entlassungsbedingungen aus Gesundheitseinrichtungen detailliert analysiert und die strukturellen Probleme aufzeigt, die zu einer hohen Wiederaufnahmerate führen.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Verflechtung zwischen Sucht- und psychischen Erkrankungen, die bei obdachlosen Patientinnen und Patienten besonders verbreitet sind, und den Versorgungslücken für nicht versicherte oder immobilisierte Menschen. Diese Problemfelder verstärken das Risiko, dass obdachlose Patientinnen und Patienten ohne ausreichende Betreuung wieder auf die Straße entlassen werden. Mangelnde Nachsorgestrukturen führen dazu, dass viele Betroffene schon bald erneut im Krankenhaus aufgenommen werden müssen.
„Die multiplen Krisen der letzten Jahre haben die wirtschaftliche Situation für viele Menschen verschärft und damit auch das Risiko für Obdachlosigkeit erhöht“, erklärt Zenczak. „Die Thematik wird von politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Österreich jedoch oft ignoriert. Daher sehe ich es als meine Verantwortung an, hier aufklärend und fordernd zu wirken.“

Empfehlungen zur Verbesserung des Entlassungsmanagements

Zenczak und sein Forschungsteam sprechen sich für gezielte Maßnahmen zur Verbesserung des Entlassungsmanagements aus. Sie plädieren für eine präventive Behandlung von Sucht- und psychischen Erkrankungen sowie für den Ausbau der sozialen Versorgungsangebote und der nachhaltigen Bildung von Perspektiven. Besonders wichtig sei ein einfacher und niederschwelliger Zugang zu Versorgungs- und Versicherungsleistungen und die engere Einbindung sozialer Dienste, um den Übergang in eine stabile Nachsorge und gesicherte Wohnverhältnisse zu gewährleisten. Insbesondere der präventive Ansatz ist von großer Bedeutung, um das Risiko einer erneuten Verfestigung der Obdachlosigkeit reduzieren zu können.

Die Studie zeigt auf, dass strukturelle Anpassungen dringend notwendig sind, um die Versorgungssituation obdachloser Menschen nachhaltig zu verbessern und ihre Integration zu fördern. Durch gezielte Maßnahmen könnten nicht nur die Wiederaufnahmeraten gesenkt, sondern auch der Weg in eine sichere Lebenssituation geebnet werden.

Perspektiven für eine gerechtere Versorgung

Zenczak sieht die Publikation als ersten Schritt zu einer umfassenderen Aufarbeitung der Obdachlosigkeit in Österreich: „Die Studie ist ein Meilenstein, da es bislang kaum Forschung zur Versorgung obdachloser Menschen im Kontext des österreichischen Gesundheitssystems gibt.“ Die qualitative Methodik, so Zenczak, liefere erstmals einen tiefen Einblick in die Entlassungsbedingungen dieser Patientinnen und Patienten und das Geflecht an Einflussfaktoren, das ihre Gesundung behindert.

Die Publikation „Die Entlassung in die Obdachlosigkeit“ richtet einen eindringlichen Appell an das Gesundheitswesen und die Politik. Die Erkenntnisse fordern ein Umdenken, um die Entlassungspraxis so zu gestalten, dass obdachlose Menschen die bestmögliche Unterstützung erhalten. Damit könnte langfristig nicht nur die Wiederaufnahmerate gesenkt, sondern auch eine Basis für eine bessere gesellschaftliche Integration gelegt werden.