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Jette Lange: eine Querdenkerin für Pflege und Gesellschaft

Forschung im Porträt

Dr. Jette Lange bereichert das Institut Pflegewissenschaft am IMC Krems als Senior Lecturer. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sowohl mit einem leidenschaftlichen als auch mit einem sehr kritischen Blick die Pflege betrachtet. Besonders hervorzuheben ist ihr aktuelles Projekt, das sich mit den Schnittstellen von Klima und Gesundheit beschäftigt und die Verantwortung von Pflege in Zeiten des Klimawandels neu entdeckt.

Porträt von Jette Lange
Dr. Jette Lange, Senior Lecturer am IMC Krems, ist eine Vordenkerin für Pflege und Gesellschaft. Sie setzt sich kritisch mit der Rolle der Pflege im Klimawandel auseinander und entwickelt innovative Lösungen für Pflegekräfte und Angehörige in Hitzewellen.

Pflege und Klimawandel: ein Projekt für die Zukunft

Langes aktuelles Projekt zielt darauf ab, pflegende Angehörige und Pflegekräfte in der 24-Stunden-Betreuung während Hitzewellen zu unterstützen. Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt sie eine innovative App, die als Frühwarnsystem dient und maßgeschneiderte Handlungsempfehlungen gibt. Diese sollen dazu beitragen, Pflegebedürftige und Pflegekräfte während extremer Hitzeperioden zu schützen.

Was dieses Projekt besonders macht, ist der Zugang zur Zielgruppe. „Die Arbeit mit pflegenden Angehörigen und Personen aus der 24-Stunden-Betreuung ist sehr spannend, weil diese Personengruppen stark eingebunden sind. Deshalb ist der Zugang zu diesen Gruppen nicht einfach, und man muss flexibel, kreativ und sensibel sein“, betont Lange.

Im Projekt soll außerdem herausgearbeitet werden, welche Kompetenzen Pflegefachpersonen benötigen, um Pflegenden in der informellen Pflege das notwendige Wissen zum Klimawandel und zur Gesundheit zu vermitteln und sie zur richtigen pflegerischen Versorgung bei Hitzewellen zu beraten.

Kritische Theorie als Herzstück ihrer Forschung

Jette Lange versteht sich als kritische Pflegewissenschaftlerin. Das heißt, sie nutzt die wissenschaftliche Perspektive der Kritischen Theorie, um das Berufsfeld Pflege zu verstehen und mögliche Änderungspotenziale aufzuzeigen. Sie hinterfragt, wie gesellschaftliche Prozesse das Pflegeverständnis und die Praxis beeinflussen. Ihr Anliegen ist es, Pflegefachpersonen als machtvolle Akteurinnen und Akteure zu stärken und sie für ihre gesellschaftliche Verantwortung zu sensibilisieren. „Pflegefachpersonen sind in einer einflussreichen Schlüsselposition, da sie die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen darstellen und in engem Kontakt mit Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen stehen“, erklärt Lange. Dieser berufspolitische Fokus zieht sich durch ihre Arbeit und bildet die Basis für ihre Lehre am IMC Krems.

Ihre Dissertation, die sich mit der Professionalisierung der Pflege in Deutschland in den 1970er- und 1980er-Jahren beschäftigte, offenbarte interessante Paradoxien, die sie nun in weiteren Forschungsprojekten vertiefen möchte. Besonders faszinierend ist für sie die Frage, wie sich Pflege durch die Einführung von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz verändert. „Es ist merkwürdig, dass zeitsparende Prozesse oft ins Gegenteil ausschlagen und die Arbeitsverdichtung in der Pflege eher zunimmt“, stellt Lange fest. Diese Widersprüche zu untersuchen, treibt sie in ihrer Forschung an.

Eine Forscherin mit Weitblick

Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit ist Jette Lange auch als stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Fachgesellschaft Pflegegeschichte aktiv. Sie hat maßgeblich an einem neuen Lehrbuch zur Geschichte der Pflege mitgewirkt, das sich durch seine Zugänglichkeit für historische Laiinnen und Laien auszeichnet und die Lehre in diesem oft vernachlässigten Bereich bereichern soll. Lange sieht in der Pflegegeschichte einen Schlüssel zur Identitätsbildung und zur Gestaltung der Zukunft der Pflege. „Wir werden uns unserer Verantwortung als Pflegende nicht vollständig bewusst, wenn wir unsere gesellschaftliche Wirksamkeit nicht erkennen. Und diese wird in der Retrospektive über die verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Systeme klarer sichtbar“, so Lange.

Jette Lange privat: eine inspirierende Persönlichkeit

Jette Lange ist nicht nur eine leidenschaftliche Forscherin, sondern auch eine inspirierende Persönlichkeit. Sie beschreibt sich selbst als jemanden, der gerne irritiert und sich irritieren lässt – denn das führt, wie sie sagt, zu Staunen und neuen Denkprozessen. Ausgleich findet sie in der Natur, beim Radwandern oder beim Kerzengießen. Ihre Karriere verlief nicht immer vorhersehbar, doch gerade diese Unvorhersehbarkeit hat sie zu der vielseitigen und offenen Forscherin geformt, die sie heute ist. „In meinem Fall als ‚Arbeiterkind‘ war weder vorgesehen noch vorstellbar, dass ich international eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen würde“, resümiert Lange.

Mit ihrer Arbeit am IMC Krems und ihrem unermüdlichen Engagement für die Pflege beweist Jette Lange, dass sie nicht nur eine herausragende Wissenschaftlerin ist, sondern auch eine Visionärin, die die Pflege in Zeiten des Wandels neu denkt und gestaltet.

Über Jette Lange

Dr. Jette Lange absolvierte in Deutschland eine Altenpflegeausbildung und studierte Pflegewissenschaft, Berufspädagogik und Biologie auf Lehramt. Sie hat internationale Lehr- und Forschungserfahrung und erlangte einen Doktorgrad an der University of Ottawa, Kanada. Seit März arbeitet die 39-Jährige im Institut Pflegewissenschaft am IMC Krems.