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Mit welchen Autos werden wir 2050 fahren?

2050 werden autonome Fahrzeuge mit KI und Autos mit Menschen am Steuer gemeinsam auf den Straßen unterwegs sein. Alessio Gambi, Forscher am IMC Krems, simuliert im EU-Projekt Flexcrash, welche Unfallhergänge zwischen Künstlicher Intelligenz und menschlichem Fehlverhalten wahrscheinlich sind.

Alessio Gambi, Forscher am IMC Krems, simuliert im EU-Projekt Flexcrash, welche Unfallhergänge zwischen Künstlicher Intelligenz und menschlichem Fehlverhalten wahrscheinlich sind.

Um das Auto der Zukunft zu bauen, muss zunächst das Verkehrsszenario der Zukunft ausgeleuchtet werden. Denn Fahrzeuge werden stets für ihren Einsatz optimiert, wie etwa heute für Rechts- oder Linksverkehr. Ziel des EU-Projekts „Flexcrash“ sind leichtere und umweltfreundlichere Autos, die mit geringerem Materialeinsatz die Sicherheit der Fahrgäste gewährleisten.
Der erste Schritt im Projekt, das bis 2027 läuft und insgesamt zehn Forschungspartner vereint, findet am IMC Krems statt. Bevor Materialmix, Design und Bauanleitungen für künftige PKW erdacht und im Industriemaßstab skaliert werden können, versucht Software-Engineer Alessio Gambi kritische Crashszenarien der Zukunft zu identifizieren: „Um die Autos für 2050 zu entwickeln, nehmen wir ein gemischtes Szenario an, in dem autonome Fahrzeuge ebenso unterwegs sind, wie von Menschenhand gesteuerte. Es geht darum zu verstehen, welche Unfallszenarien zu erwarten sind, wenn die einen Verkehrsteilnehmer*innen anhand einprogrammierter Regeln und Sicherheitskonzepte reagieren und die anderen so, wie Menschen eben sind: abgelenkt, in Eile, übermüdet, unkonzentriert, womöglich beschwipst, erfahren oder Führerschein-Neulinge.“

Gambi nimmt an, dass es 2050 weniger und weniger gefährliche Unfälle geben wird, aber nicht null. Wenn ein autonomes Fahrzeug einen Unfall verhindern muss, wird es nach klaren Regeln vorgehen. In Kombination mit menschlicher Unvorhersehbarkeit könnten sich so die sicherheitsrelevanten Stellen an der Karosserie verschieben.

Historische Unfallforschung & Fahrstil KI

Weil er wissen will, wie künstliche Intelligenz auf menschliches Fahrverhalten reagieren könnte, muss Alessio Gambi zwei Hürden nehmen: Daten zu Unfallhergängen gibt es nur aus der humanen Vergangenheit und Informationen über die Sicherheitsprotokolle autonomer Fahrzeuge werden eher nicht veröffentlicht. In Europa sind aktuell nur Fahrassistenzsysteme zugelassen, keine autonomen Vehikel (AV). „Wir behandeln die autonomen Fahrzeuge wie eine Blackbox, weil wir die genauen Kriterien nicht kennen. Wir gehen aber davon aus, dass sich in den nächsten 25 Jahren ein typischer KI-Fahrstil herauskristallisieren wird. Die Herausforderung der kommenden Jahre ist, dass das Verhalten im Verkehr von KI und Menschen wenig kompatibel ist.“

Also trainiert er in einem ersten Schritt Methoden zur maschinellen Verarbeitung von Sprache (Natural Language Processing) und Bildern auf US-Polizeiberichte (NHTSA), die mit Texten und Skizzen Unfallhergänge zu beschreiben versuchen: „Dazu geben wir der KI eine Art Vokabelheft mit wichtigen Parametern für dieses Szenario: Fahrzeugfarbe und -typen, Geschwindigkeit, Wetter, Straßenverhältnisse, Tageszeit, Baustelle, Kreuzung, Autobahn, Fahrspur, Manöver, Einlenkwinkel und so fort. So können wichtige Informationen automatisiert ausgelesen und in 3D-Darstellungen übersetzt werden“. Um die Reaktion autonomer Fahrzeuge auf typische Unfallgefahren zu simulieren, arbeitet das Team vertraulich mit dem System eines autonomen Fahrzeugs der TU München, das Kollisionen vermeiden soll. Basis dafür sind Trajektorien, also mögliche Bewegungsbahnen von Objekten. Die Sicherheitseinstellungen schließen manche Bahnen aus, um Zusammenstöße zu vermeiden und errechnen den „besten“ Lenkwinkel, falls ein Zusammenstoß unvermeidbar ist. „Das System ist ähnlich wie im Robo-Staubsauger fürs Wohnzimmer“, so Gambi.

Typische Unfallszenarien – neue Sicherheitsparameter

Ergebnis dieser Simulationen mit variablen Parametern sind „typische“ vordefinierte Bewegungsmuster autonomer Fahrzeuge, wenn jemand z.B. plötzlich die Spur wechselt, um einen Crash zu verhindern. Letzter Schritt, um das Zusammenspiel von Menschen und Maschinen ohne den Ernstfall zu testen, ist ein „Serious Game“, in dem Autolenker*innen auf Varianten kritischer Szenarien z.B. zu verschiedenen Tageszeiten reagieren und anschließend erfahren, was die anderen gemacht haben. „Meine persönliche Hoffnung ist, dass es zunächst für AV reservierte Spuren geben wird, wie es sie z.B. auch für LKW gibt“, so Gambi.
Bis auf weiteres wird es keine personalisierten Autos für ängstliche, risikoreiche, defensive Fahrer*innen geben. Es gilt also aus den simulierten Fallstudien typische Unfallszenarien zu destillieren. Auch wenn er unvorhersehbares Verhalten erforscht, kommt der Software-Engineer letztlich zu Erkenntnissen, welche Komponenten bei einem künftigen Crash am häufigsten beschädigt werden. Die anderen Flexcrash-Partner übernehmen von dort und verstärken gezielt (neue) beanspruchte Stellen an der Karosserie, für mehr Sicherheit im Verkehrsszenario der Zukunft – zwischen künstlicher Intelligenz und menschlicher Unvernunft.  

Autorin: Astrid Kuffner