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Neue Therapieansätze für Sepsis und Entzündungen
Mit welchem Forschungsschwerpunkt beschäftigst du dich?
Zurzeit liegt mein Forschungsschwerpunkt im Bereich der Immunologie. Konkret setze ich mich mit Fragen rund um das angeborene Immunsystem und dessen Rolle in Entzündungen und Sepsis auseinander. Ich fand es immer schon sehr faszinierend, was unser Körper alles leisten kann und auch welch großartiges Abwehrsystem wir alle in uns tragen, über das es noch sehr viel zu erfahren gibt.
Woran forschst du in deinem aktuellen Projekt?
In dem aktuellen Projekt, seitens der IMC FH Krems von Christoph Wiesner geleitet, „Entwicklung leistungsfähiger Diagnostikverfahren und neuer Therapieansätze in Inflammation und Sepsis“, arbeiten wir mit der Universität für Weiterbildung Krems und der Karl-Landsteiner Universität zusammen. Es wird vom FTI-Programm des Landes Niederösterreich finanziert. Mein Part besteht darin, mich mit den Funktionen gewisser Proteine, den Toll-like Rezeptoren, die essenziell für die Erkennung von Erregern wie Viren oder Bakterien sind, näher zu beschäftigen. Sie tragen maßgeblich dazu bei, eine immunologische Antwort mithilfe von Botenstoffen, sogenannten Zytokinen, zu verstärken. Diese Rezeptoren sitzen auf Immunzellen wie Monozyten, auch bekannt als weiße Blutkörperchen, die ständig unser Blut scannen.
Was macht dieses Projekt einzigartig?
Wir verwenden eine sehr neue und innovative Technik, nämlich die Optogenetik. Diese Methodik bedient sich eines Beispiels der Natur, das modifiziert so funktioniert: Eine lichtsensitive Proteindomäne wird aus einer Alge isoliert und mit einem Zielprotein, beispielsweise einem Toll-like Rezeptor, fusioniert. Somit kann der Toll-like Rezeptor mit einem Lichtimpuls mit einer spezifischen Wellenlänge aktiviert werden und intrazellulär können Mechanismen genauer aufgeklärt werden.
Wie kann man sich deine Forschungsarbeit vorstellen?
Ich arbeite mit Monozyten, die wir auch zu Makrophagen, den „Fresszellen“ umwandeln können. Diese enthalten den Rezeptor mit der lichtaktivierbaren Domäne, die uns dabei hilft, zelluläre Mechanismen in Entzündungsreaktionen genauer zu analysieren. Nach der Licht-induzierten Aktivierung des Rezeptors können wir mithilfe unterschiedlichster Techniken wie Polymerase-Kettenreaktion (PCR), Mikroskopie oder Immunoblots Veränderungen in der Genexpression oder von Proteinen messen und evaluieren.
Wie können die Ergebnisse deiner Forschungsarbeit Patientinnen und Patienten helfen?
Da sich eine Überreaktion des Immunsystems, auch bekannt als Sepsis, sehr unterschiedlich/heterogen in Patientinnen und Patienten verhalten kann, wird sie leider oft erst viel zu spät festgestellt, was im schlimmsten Fall dann zu einem Multiorganversagen führen kann. Es gibt bis heute nur begrenzte Marker zur Früherkennung und auch die Therapiestrategien sind unbefriedigend, da die komplexen immunologischen Vorgänge noch zu wenig bekannt sind. Mit unserem Projekt und mithilfe dieser neuen optogenetischen Technik wollen wir noch ungewisse Prozesse, welche die Toll-like Rezeptoren involvieren, aufklären, was schlussendlich auch helfen kann, neue Diagnose- oder Therapiestrategien zu entwickeln.
Gab es in deiner bisherigen Forschungsarbeit ein besonders prägendes Erlebnis?
Ein sehr freudiges und aufregendes Erlebnis war für mich erst kürzlich mein erster Kongress im September. Dort durfte ich meine Forschungsergebnisse präsentieren und habe sogar einen Award, den Young Scienctist Travel Award beim EUSAAT Kongress, gewonnen. Es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, mich auch mal außerhalb meiner Forschungsgruppe auszutauschen, Feedback zu erhalten und zu sehen, woran aktuell sonst noch gerade geforscht wird. Wissenschaftskommunikation und Networken innerhalb, aber ebenso außerhalb der Forschungswelt finde ich persönlich wichtig und bereichernd für alle.
Warum hast du dich für das Studium der Biotechnologie entschieden?
Biotechnologie zu studieren war ehrlich gesagt nicht mein erster Plan, weil ich diese Studienrichtung und die daraus folgenden beruflichen Möglichkeiten gar nicht richtig kannte. Nachdem der erste Versuch beim Medizin-Aufnahmetest nicht klappte, stieß ich auf die medizinische Biotechnologie und war sofort gefesselt. Erst da wurde mir richtig bewusst, dass mich die zellulären und pathologischen Prozesse im Menschen am meisten interessieren.
Warum bist du in die Wissenschaft gegangen und wie hat sich deine Karriere entwickelt?
Dadurch, dass meine Oma an Parkinson litt, war ich besonders an neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer oder eben Parkinson interessiert. Das führte mich dann im Zuge meines Bachelor-Studiums nach Oxford, wo ich an einem Früherkennungstest für Parkinson forschte. Anschließend fokussierte ich mich auf das Komplementsystem, ein wichtiger Teil des angeborenen Immunsystems, und dessen Beteiligung in epileptischen Anfällen von Kindern für meine Master-Arbeit am AKH in Wien. Ich merkte, dass der immunologische Aspekt in vielen Krankheitsbildern noch zu wenig miteinbezogen wird bzw. noch vieles unbekannt ist. Dadurch wurde mir klar, dass ich mich noch gerne tiefer mit einem Thema der Immunologie auseinandersetzen wollte, was mich hierher nach Krems an die IMC FH Krems in die Forschungsgruppe von Christoph Wiesner führte.
Was denkst du persönlich, was Frauen in der Wissenschaft brauchen und welchen Tipp würdest du angehenden Wissenschaftlerinnen mitgeben?
Mir fällt auf, dass inzwischen eine große Anzahl an Frauen naturwissenschaftliche und technische Studiengänge wählen und absolvieren, dies allerdings wenig daran ändert, dass größtenteils Männer in leitenden Positionen zu sehen sind. Hierfür gibt es verschiedenste Gründe, ein ganz ausschlaggebender ist die unbezahlte Care-Arbeit, die Frauen oftmals nebenbei leisten. Daher braucht es dringend mehr Maßnahmen, die weibliche Personen unterstützen und den Aufstieg erleichtern, da viele Strukturen und Räume immer noch männlich geprägt sind. Einen Tipp bzw. ein Gedanke, der mir hilft, ist: durchhalten und reinbeißen für Dinge, die es wert sind und einem wirklich am Herzen liegen, jedoch Grenzen setzen und auch akzeptieren lernen, wenn’s mal nicht so funktioniert oder man merkt, dass es vielleicht doch nicht das Richtige für einen war. Dadurch erschließen sich oft neue Wege und Möglichkeiten, die einem gar nicht bewusst waren.
Katrin Colleselli als Privatperson: Was inspiriert dich? Was treibt dich an?
Mich motivieren und inspirieren Menschen, die gefühlt unermüdlich für eine gerechtere und aufgeschlossenere Welt kämpfen, egal ob es hierbei um Gleichberechtigung oder um neue und innovative Erkenntnisse geht. Jeder Mensch kann seinen Teil dazu beitragen und das möchte ich auch.
Welchen Berufswunsch hattest du als Kind? Und bist du heute froh, dass dein Karriereweg so verlaufen ist?
Ich wollte lange Zeit Ärztin werden, zum Schluss allerdings schon Pathologin, weil mich die Zellphysiologie und Molekularpathologie am meisten interessiert haben. Ich bin sehr froh und dankbar, an diesem Punkt zu sein, wo ich jetzt bin, und würde es wieder genauso machen.
Was findest du spannend an der Forschungsarbeit?
Da ich gerne Abwechslung in meinem Alltag habe, ist es sehr bereichernd, dass meine Arbeit äußerst facettenreich ist und es stets neue Dinge zu recherchieren oder miteinzubeziehen gibt. Auch wenn man lernen muss, dass Ergebnisse oft anders ausfallen als erwartet, macht es gerade das besonders spannend. Forschungsarbeit ist kein langweiliger Krimi, bei dem man schon weiß, wie er ausgeht, sondern wie eine Odyssee, die immer wieder neue Abenteuer verspricht.
Über Katrin Colleselli
Katrin Colleselli, MSc (27) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der IMC Fachhochschule Krems. Sie arbeitet im Projekt Inflammation, Sepsis und Regeneration. Derzeit studiert sie „Regenerative Medizin“ an der Universität für Weiterbildung in Krems. Für ihr Forschungsprojekt arbeitet sie in der Gruppe von Christoph Wiesner an der IMC FH Krems. Davor hat die niederösterreichische Jungforscherin ihr Bachelor-Studium „Molekulare Biotechnologie“ am FH Campus Wien und das Master-Studium „Molekulare Biologie (Schwerpunkt Neurowissenschaften)“ an der Universität Wien absolviert.