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Vom Chemie-Baukasten zum Studiengangsleiter
Uwe Rinner ist ein Glücksfall für das Fach Chemie und sein Fach ein Glücksfall für ihn. Die Begeisterung entzündete sich als Kind an einem Chemie-Baukasten, loderte als Gewinner mehrerer Chemie-Olympiaden weiter und die wissenschaftliche Neugier des organischen Chemikers brennt lichterloh. Der Studiengangsleiter für den Bachelor in Applied Chemistry am IMC Krems ist gefühlt jede wache Stunde damit beschäftigt, angewandte Chemie unter die Leute zu bringen. Dieser englischsprachige Bachelor-Studiengang ist sein „Brainchild“, wiewohl in den Entstehungsprozess viele Einflussfaktoren, Vorgaben, Ideen und Menschen involviert waren. Seit 2018 beginnen jedes Jahr 55 Studierende eine breite Ausbildung, die auf Schwerpunkte der chemischen Industrie in Österreich eingeht und so die Nachwuchskräfte für den Standort ausbildet.
Interesse wecken ist der Anfang von allem
Uwe Rinner geht in Schulen, engagiert sich in der Lehrer*innen-Fortbildung, hat eine Weiterbildung in Oberflächenchemie für Mitarbeiter*innen der chemischen Industrie ins Leben gerufen, forscht selbst, leitet ein Institut und arbeitet ehrenamtlich für die Chemie-Olympiade, wo er sich unter Gleichgesinnten sehr wohl fühlt. Wie begeistert er nun konkret Zehnjährige? „Ich stelle Fragen, und wenn wir ein Beispiel aus ihrem Alltag gefunden haben wie Farben, Medikamente oder Seife, erkläre ich, was das chemisch gesehen ist und wie sich ein Chemiker damit beschäftigen würde.“ Teenager*innen holt er eher mit drängenden Fragestellungen wie Klimawandel, Umweltschutz und nachwachsende Rohstoffe ab und den Antworten der Chemie darauf. Uwe Rinner will nicht nur Einzelne begeistern, die Industrie als Arbeitsplatz vorstellen und Studierende rekrutieren. Seine große Mission ist es, die Skepsis gegenüber Naturwissenschaften in Österreich abzubauen.
Chemie ist die Welt der Stoffumwandlungen, in der zwei oder mehr Moleküle miteinander reagieren und etwas Neues ergeben: „Wir erfahren dadurch mehr über das Leben selbst, über Entstehungsprozesse und wie wir von uns benötigte Werkstoffe und Produkte herstellen können.“ Neue Eigenschaften zu finden, neugierig auf das Ergebnis eines Prozesses zu sein, ist sein starker Antrieb: „Wir werden am IMC mit den neuen Laboren an kreislauftauglichen, umweltschonenden Werkstoffen arbeiten, die wir mit nützlichen Funktionen versehen wie Wandfolien, die Strom erzeugen oder winzige Sensoren für die Blutanalyse.“
Weltenbummler in der Wachau
Der Steirer studierte Technische Chemie an der TU Graz, war für das Doktorat an der University of Florida (USA), im Post-Doc an der Brock University in Ontario (Kanada) und der Universität Wien, wo er fünf Jahre am Institut für Organische Chemie arbeitete. 2015 habilitierte er an der Universität Linz und war vor dem Engagement in Krems drei Jahre Associate Professor an der Sultan Qaboos University im Oman. Seine Motivation als Weltenbummler in der Wachau sesshaft zu werden war definitiv „ein Angebot zu entwickeln, das es vorher nicht gegeben hat, es mit meinen Erfahrungen aus verschiedenen Institutionen bestmöglich zu planen und aufzubauen.“ Wir erinnern uns: Etwas Neues zu generieren hat ihm immer Spaß gemacht.
Was unterscheidet nun den Bachelor in Applied Chemistry von anderen Studienangeboten? Der Beipackzettel umfasst vier wichtige Wirkungen und Nebenwirkungen. Es ist eine komplett englischsprachige und zunächst breitgefächerte Ausbildung, in der man alle Bereiche der Chemie kennenlernt und im „Labor-Handwerk“ praktisch geschult wird, ergänzt um Qualifikationen wie der computergestützten Verarbeitung von Daten. Im sechsten Semester werden mit organisch-pharmazeutischer Chemie und instrumenteller Analytik zwei Branchenschwerpunkte angeboten. Zweitens „zieht sich der Umweltgedanke mit Recycling, Ersatzstoffen, nachwachsenden Rohstoffen, Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz durch alle Bereiche, wird stets mitgedacht und mitvermittelt, nicht nur in Spezialmodulen“. Er schätzt drittens die Überschaubarkeit des Standorts, der einen individuellen Zugang zu den Interessen der Studierenden ermöglicht.
Im anwendungsorientierten Praktikum arbeiten diese sechs Monate in Firmen und Instituten und dürfen aus dieser Kooperation ihre Bachelorarbeit schreiben, wobei auch schon wissenschaftliche Publikationen daraus entstanden sind. Am Studiengang unterrichten Lehrende aus Akademie und Industrie: „Unsere Studierenden lernen viele – auch internationale – Leute kennen und bauen sich ein interessantes Netzwerk für ihre Berufspraxis auf.“
Das Angebot nutzen rund 30 Prozent internationale Studierende, das Geschlechterverhältnis im Studiengang ist – wie auch am Institute for Applied Chemistry – ausgeglichen, was in der Naturwissenschaft noch nicht selbstverständlich ist. Wenn er Chemie-Olympionik*innen und Schüler*innen für Workshops nach Krems einlädt, sehen manche in modernen Labors erstmals, was mit Chemie alles möglich ist. Entsprechend freut er sich schon auf die Eröffnung des Neubaus am Campus im Sommer, in dem große Laborflächen vorgesehen sind. Dort will er in der Lehre noch einmal richtig durchstarten…
ZUM STUDIENGANG APPLIED CHEMISTRY