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Ein Herz für gehörlose Menschen

Am 23. September wird der internationale Tag der Gebärdensprachen begangen, um in Erinnerung zu rufen, dass ein Teil der Bevölkerung darauf angewiesen ist, um in Dialog mit anderen treten zu können. An der IMC FH Krems werden gehörlose Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch Studierende unterstützt – Gebärdensprache ist Teil des FH-Lebens.

Porträt von Monika Zwirner und Florian Katzmayr
An der IMC FH Krems werden gehörlose Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch Studierende unterstützt – Gebärdensprache ist Teil des FH-Lebens: Im Bild die Leiterin der HR Services Monika Zwirner und Florian Katzmayr.

Derzeit leben schätzungsweise 8.000 bis 10.000 gehörlose und rund 450.000 schwerhörige Menschen in Österreich. Das macht allein für Niederösterreich rund 1.500 Gehörlose. Für die Gesprächsteilnahme benötigten sie Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher. Österreichweit sind rund 150 Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) und Deutsch aktiv tätig, der notwendige Bedarf liegt jedoch um etwa 600 höher. In Niederösterreich sind rund zehn Dolmetscherinnen und Dolmetscher wohnhaft – vier- bis fünf-mal mehr wären nötig.
DI (FH) Florian Katzmayr ist verantwortlich für Softwareentwicklung in der Abteilung IT Services an der IMC FH Krems – und gehörlos. Er weiß um die schwierige Situation gehörloser Menschen in Österreich. „Mehr Dolmetscherinnen und Dolmetscher für ÖGS und Deutsch müssen ausgebildet werden“, so Katzmayr. „ÖGS-Dolmetschleistungen in den Bundesländern werden im privaten Bereich gefördert, also wenn es um Angelegenheiten im Alltag außerhalb des Arbeitsplatzes, die nicht in der Zuständigkeit des Bundes liegen, geht. Es gelten unterschiedliche Regelungen der Länder für antragstellende gehörlose Personen, abhängig von deren Wohnort. Teilweise wird erst ab dem 15. Lebensjahr bewilligt, mitunter abhängig vom Einkommen, es gibt Höchstförderungen pro Jahr und nicht alle Situationen von Dolmetschleistungen im privaten Bereich werden erfasst.“

Internationaler Tag der Gebärdensprache

1951 wurde der Internationale Tag der Gebärdensprachen vom Weltverband der Gehörlosen erstmalig ausgerufen. Die genannten Zahlen veranschaulichen, wie dringend es nötig wäre, mehr Dolmetscherinnen und Dolmetscher auszubilden. Außerdem bedarf es eines verstärkten Bewusstseins über die Problematik. „Der ORF sendet bundesweit fast barrierefrei mit Untertiteln und Dolmetschereinblendung, aber für NÖ Heute um 19 Uhr fehlt der Zugang für gehörlose und schwerhörige Menschen. Sie zahlen aber trotzdem GIS-Gebühr“, nennt Katzmayr ein Beispiel, wie oft auf Seinesgleichen „vergessen“ wird.

Vielfältiger Bedarf

Bedarf für mehr Sichtbarkeit besteht ein ganzes Leben lang und beginnt bei den Kleinsten. In Kindergärten werden Elementarpädagoginnen und -pädagogen mit Kenntnissen in ÖGS und Gehörlosenkultur für gehörlose Kleinkinder gebraucht. Vor allem „Native Signers“, muttersprachliche Gebärdensprach-Nutzerinnen und -Nutzer, wären erforderlich. Hier wird immerhin das Fundament für spätere Ausbildungen und Berufsausübung gelegt. Nur wenn ein Kind lautsprachliche Fähigkeiten entwickelt, stellt das Erlernen der ÖGS sicher, dass Kleinkinder keine Verzögerung beim Spracherwerb erfahren. 
Die niedrigschwellig geförderten Veranstaltungen zur Elternbildung müssen auch Familien mit gehörlosen und schwerhörigen Kindern integrieren und die Übernahme von ÖGS-Kurskosten für die Eltern sicherstellen. In Schulen braucht es österreichweit natürlich ebenfalls mehr Aus- und Weiterbildung für gehörlose und hörende Pädagoginnen und Pädagogen mit Schwerpunkt in ÖGS und inklusiver Pädagogik sowie gehörlose ÖGS-Sprach- und Fachlehrerinnen und -lehrer. Ab 2023/24 wird das Bildungsministerium einen neuen ÖGS-Lehrplan einführen.
Im Alltag stellen bauliche Hindernisse darüber hinaus große Hürden für gehörlose Menschen dar. Die meisten Türsprech- bzw. Gegensprechanlagen bedienen nur den auditiven Kanal. Dazu bedarf es bedienbarer und interaktiver Displays für text- und videobasierte Kommunikation als bauliche Maßnahmen, zum Beispiel in Polizei-Dienststellen.

Implementierte Diversität 

Für die IMC FH Krems ist die Integration gehörloser Menschen selbstverständlich. Im Rahmen der „Charta der Vielfalt“ hat sich die Fachhochschule bereits 2013 freiwillig verpflichtet, sich zur Wertschätzung gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft zu bekennen. Bauliche Maßnahmen und Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetscher gehören dazu, um den Alltag Betroffener zu erleichtern. 
Doch auch für Studierende sind entsprechende Maßnahmen das Ziel. „Gehörlose Personen interessieren sich genauso für akademisch anspruchsvolle Berufe wie Dolmetsch, Tutoring, Stütz- und Fachunterricht wie für handwerkliche Berufe“, sagt Katzmayr. Nicht nur die Ausbildung stelle den Schlüssel für eine Teilhabe an der Arbeitswelt dar, auch laufende Fort- und Weiterbildungen müssten barrierefrei offenstehen, denn die Berufsprofile und Anforderungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entwickeln und verändern sich so schnell wie nie in der Geschichte der beruflichen Arbeit. „Weil die Übernahme von Dolmetschkosten nicht sichergestellt ist, wenn nicht zum Beispiel der Verlust des Arbeitsplatzes droht, können gehörlose Personen das Recht auf Fort- und Weiterbildungen nicht in Anspruch nehmen“, argumentiert Katzmayr. Daher plädiert er für eine Gehörlosenambulanz in jedem Bundesland – sie fehlt nämlich in Niederösterreich, Vorarlberg, Tirol und im Burgenland.

TIPP: Der Niederösterreichische Gehörlosenverband wird am 28. September 2022 an einer Mahnwache in St. Pölten teilnehmen:

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